Dienstag, 29. März 2011

the gospel according to kirmes-records...

„Greg Dulli ist Jesus“ hat gestern Abend beim Konzert der Twilight Singers im Festsaal Kreuzberg keiner gerufen. Hatte ich aber eigentlich erwartet. Denn Greg Dulli hat dasselbe Problem wie alle Rockstars, die mit ihren Fans altern. Im Publikum stehen nur noch Leute die aus dem Quark gegangen sind, dafür aber zuviel über die Bandgeschichte wissen und Ihre Konzert-Befriedigung nur noch daraus ziehen, dass Sie durch einen mehr oder weniger blöden Zwischenruf für einen Augenblick die Aufmerksamkeit Ihres Idols auf sich ziehen können.
Das Problem hatte Jesus seinerzeit nicht. Er hat den Abgang gemacht als er quasi noch „underground“ war und alle noch zugehört haben. Wenn er länger durchgehalten hätte, würden die Leute jetzt wahrscheinlich auch bei seinen Predigten irgendwas dazwischen rufen. Wahrscheinlich sähe er jetzt auch anders aus als mit Mitte 30. Die Haare etwas kürzer und ohne Bart, dafür vielleicht etwas dicker und mit einem lila Hemd und einer schwarzen Stoffhose bekleidet. Ein bisschen wie ein Gebrauchtwagenverkäufer mit Migrationshintergrund oder wie der Chef einer libanesischen Großfamilie oder wie der Boxpromoter Ahmet Öner oder vielleicht sogar wie Greg Dulli.
Aber Jesus ist nicht Greg Dulli und Greg Dulli ist eben auch nicht Jesus. Den Vergleich kann man einfach nicht ziehen.
Von Jesus weiß man zum Beispiel nicht, was er für eine Stimme hatte. Wahrscheinlich irgendwie sanft und leise aber mit Tiefgang. So wie seine Botschaften, so wie die Sache mit der anderen Wange.
Dulli ist da anders. Seine Botschaften kann man getrost vernachlässigen, dass sind Plattitüden, die sein Image als einsamer Wolf unterstreichen sollen und die man so oder so ähnlich schon tausend Mal gehört hat. Aber wenn sich dann nach zwei Minuten scheinbar ziellosem rumgedudel auf einem Akkord seine Stimme erhebt und das anfängliche Flüstern zu einem Schreien wird, wenn er mahnt und ermahnt, dann noch mal lauter wird, schwört und beschwört und wenn dann seine Stimme, obwohl tausend Leute im Saal sind, nur zu mir spricht und sagt:
„Vergiss den Ärger im Job, vergiss dass in der Stadt nur Spinner rumlaufen, vergiss dass der oberste Knopf deiner Hose nicht mehr zugeht...“ Und sie dann meinem Körper befiehlt, an Armen und Beinen blasen zu bilden (ich meine Gänsehaut), dann hat das schon etwas spirituelles und dann ist für mich und wahrscheinlich auch für alle anderen im Saal denen es ähnlich ergeht, egal ob Greg Dulli nun Jesus ist oder nicht, denn die Erlösung ist in diesem Moment sehr nahe.

Halleluja !